Dissertation

Im Rahmen dieser Dissertation wurden neutrale Carben-, Vinyliden- und Allenyliden-Komplexe mit Bispyrazolylacetato-Liganden synthetisiert und charakterisiert. Die erhaltenen Komplexe wiesen fast durchgängig eine für Organometallverbindungen sehr hohe Stabilität gegenüber Sauerstoff und Wasser auf. Für die Benzyliden-Komplexe wurde Aktivität als Katalysatoren in der Ringschlussmetathese gefunden. Fragen zur strukturellen Isomerie wurden mittels zweidimensionaler NMR-Experimente und Röntgenstrukturanalysen untersucht. Mechanistische Unter-suchungen wurden durch DFT-Rechnungen unterstützt.

Die Dissertation ist erschienen als Buch im Cuvillier-Verlag, als PDF bei der Universitätsbibliothek Konstanz (KOPS) und als PDF direkt auf meiner Homepage

Benzyliden-Komplexe

Die oktaedrisch koordinierten Benzyliden-Komplexe [Ru(bpza)Cl(=CHPh)(PR3)] (B1, B3) und [Ru(bdmpza)Cl(=CHPh)(PR3)] (B2, B4) wurden durch Umsetzung der Komplexe [RuCl2(=CHPh)(PR3)] (R = Cy, Ph) mit den Kaliumsalzen der bpza-Liganden Bis(pyrazol-1-yl)acetat (bpza) und Bis(3,5-dimethylpyrazol-1-yl)acetat (bdmpza) erhalten.

Es wurden zwei Koordinationsisomere beobachtet. Der Benzyliden-Ligand ist in Isomeren vom Typ A trans zu einem Pyrazoldonor und in Isomeren vom Typ B trans zur Carboxylatgruppe koordiniert. Diese Isomerie wiesen auch die weiteren Cumulenyliden-Komplexe auf. Die bpza-Komplexe B1 und B3 wurden nur als Isomere vom Typ B gefunden, wie die 31P-NMR-Spektren und eine Röntgenstrukturanalyse zeigten. Von den bdmpza-Komplexen wurden Benzyliden-Komplexe von beiden Isomerentypen isoliert und im Falle von B2b und B4a mittels Röntgenstrukturanalysen belegt.

Vinyliden-Komplexe

Die Vinyliden-Komplexe [Ru(bdmpza)Cl(=C=CHR)(PPh3)] (V1: R = Ph, V2: R = Tol, V3: R = nPr, V4: R = nBu) wurden ausgehend vom Bisphosphan-Komplex [Ru(bdmpza)Cl(PPh3)2] durch Umsetzung mit terminalen Alkinen dargestellt.

Mechanistisch wurde von einer Substitution eines Phosphan-Liganden durch ein η2-koordiniertes Alkin ausgegangen, der ein 1,2-H-Shift zum Vinyliden-Liganden folgt. Von den Vinyliden-Komplexen wurden erneut zwei Isomere detektiert. Das Verhältnis der Typen A und B variierte und war abhängig von den eingesetzten Alkinen. Dies wurde mit den vom Substituenten am Alkin mitbestimmten sterischen Verhältnissen zum Zeitpunkt der η2 Koordination begründet.
Es konnten keine Vinyliden-Komplexe ausgehend vom bpza-Komplex [Ru(bpza)Cl(PPh3)2] erhalten werden. Die zur Reaktion notwendige Dissoziation eines Triphenylphosphan-Liganden war im bpza-Komplex stark erschwert.
Tief- und Hochtemperatur-NMR-Experimente mit dem Komplex [Ru(bdmpza)Cl(=C=CHTol)(PPh3)] (V2) über einen Bereich von 210 K dokumentierten eine bei Raumtemperatur schnelle Rotation des Vinyliden-Liganden um die Ru-Cα-Bindung. Die mit Hilfe von DFT-Methoden berechnete Rotationsbarriere betrug 37 kJ⋅mol–1 und bestätigte die experimentellen Befunde.

Cyclische Oxycarben-Komplexe

Die cyclischen Oxycarben-Komplexe
[Ru(bdmpza)Cl{=C(CH2)nO}(PPh3)] (O1: n = 3, O2: n = 4) wurden durch Reaktion des Bisphosphan-Komplexes [Ru(bdmpza)Cl(PPh3)2] mit 3-Butin-1-ol und 4-Pentin-1-ol synthetisiert.

Für eventuell intermediär auftretende Vinyliden-Spezies wurden experimentell keine Hinweise gefunden.
Es wurden Isomere der Typen A und B in gleichen Anteilen isoliert. Die Trennung der Isomere der cyclischen Oxycarben-Komplexe gelang, da sie unterschiedliche Löslichkeiten aufwiesen. Von O2a konnte eine Röntgenstrukturanalyse angefertigt werden.

Allenyliden-Komplexe

Die Allenyliden-Komplexe [Ru(bdmpza)Cl(=C=C=CR2)(PPh3)] (A1: R = Ph, A2: R = Tol) wurden nach der Umsetzung von [Ru(bdmpza)Cl(PPh3)2] mit Propargylalkoholen isoliert. Dabei intermediär auftretende Vinyliden-Komplexe konnten NMR-spektroskopisch nachgewiesen werden. Eine Umlagerung der Allenyliden-Komplexe zu Indenyliden-Komplexen konnte durch zweidimensionale NMR-Experimente ausgeschlossen werden.
Jeweils zwei Isomere der Typen A und B wurden in ausgeglichenen Anteilen säulenchromatographisch voneinander getrennt. Die Konfiguration beider Isomere von [Ru(bdmpza)Cl(=C=C=CPh2)(PPh3)], A1a und A1b, konnte mittels Röntgenstrukturanalysen gesichert werden.
Die Wasserabspaltung bei der Bildung des Allenyliden- aus dem Vinyliden-Liganden war im Gegensatz zum 1,2-H-Shift bei dessen Entstehung nicht reversibel. Dass trotzdem bei der Umsetzung des bpza-Komplexes [Ru(bpza)Cl(PPh3)2] mit Phenylacetylen kein Allenyliden-Komplex erhalten wurde, bekräftigte erneut die Stabilität dieses Bisphosphan-Komplexes gegenüber Phosphan-Abspaltung.

Der Carbonyl-Komplex

Für den Vinyliden-Komplex [Ru(bdmpza)Cl(=C=CHPh)(PPh3)] (V1) wurde eine Reaktion mit O2 zum Carbonyl-Komplex [Ru(bdmpza)Cl(CO)(PPh3)] (C1) beobachtet.

Das Abspaltungsprodukt, Benzaldehyd, wurde NMR-spektroskopisch detektiert. Eine Reaktion mit H2O konnte ausgeschlossen werden. Der Carbonyl-Komplex [Ru(bdmpza)Cl(CO)(PPh3)] (C1) ließ sich auch direkt aus dem Bisphosphan-Komplex [Ru(bdmpza)Cl(PPh3)2] und CO-Gas darstellen. Dabei wurde nur Produkt vom Isomerentyp A gebildet, was auch eine Röntgenstrukturanalyse belegte.

Aminocarben-Komplexe

Der Vinyliden-Komplex [Ru(bdmpza)Cl(=C=CHTol)(PPh3)] (V2) reagierte nicht mit Methanol und Dimethylamin. Mit Ammoniak und Methylamin wurden hingegen die Aminocarben-Komplexe [Ru(bdmpza)Cl{=C(NHR)(CH2Tol)}(PPh3)] (N1: R = H, N2: R = Me) gebildet. Eine Röntgenstrukturanalyse konnte von N2 angefertigt werden. Experimente, bei denen ein Unterschuss an Amin in hoher Verdünnung eingesetzt wurde, dokumentierten die direkte Addition des Amins mittels 31P-, 1H-NMR- und IR-Spektroskopie. Der Chloro-Ligand wurde nicht substituiert.

Die entsprechenden Umsetzungen der beiden Isomere des Allenyliden-Komplexes [Ru(bdmpza)Cl(=C=C=CTol2)(PPh3)], A2a und A2b, mit Methylamin und Dimethylamin ergaben nur mit Methylamin Produkte. So konnten die beiden Aminocarben-Komplexe [Ru(bdmpza)Cl{=C(NHMe)(CH=CTol2)}(PPh3)] der Isomerentypen A (N3a) und B (N3b) charakterisiert werden.

Mechanistische Untersuchungen mit DFT-Methoden

Die Additionen der Nukleophile Methylamin, Dimethylamin und Methanol an den Vinyliden-Komplex [Ru(bdmpza)Cl(=C=CHTol)(PPh3)] (V2) sowie der intramolekulare Ringschluss zu dem cyclischen Oxycarben-Komplex [Ru(bdmpza)Cl{=C(CH2)4O}(PPh3)] (O2a) wurden anhand von DFT-Rechnungen untersucht. Danach erfolgte die Reaktion mit Methylamin in zwei Schritten. Zunächst addierte das Amin an das α-Kohlenstoffatom zu einem zwitterionischen Zwischenprodukt. Die darauf folgende Umlagerung eines Wasserstoffatoms von der Aminogruppe an das β-Kohlenstoffatom verlief bevorzugt über den intermolekularen Mechanismus einer vorübergehenden Deprotonierung. Wasserstoffbrückenbindungen zwischen dem Amin und der Carboxylatgruppe des bdmpza-Liganden beziehungsweise dem Chloro-Liganden schienen für den Mechanismus ausschlaggebend zu sein.

Auch die ausbleibenden Reaktionen mit Dimethylamin und Methanol konnten über die Wasserstoffbrückenbindungen erklärt werden. Im Zwischenprodukt des Ringschlusses zum cyclischen Oxycarben-Komplex O2a wurde ebenfalls eine Wasserstoffbrückenbindung berechnet. Die Rechnungen zeigten hier, dass die Bildung des Produkts möglich ist. Somit stimmten die Ergebnisse der Berechnungen in allen vier Fällen mit den Experimenten überein.

Katalytische Aktivität der Cumulenyliden-Komplexe

Die Benzyliden-Komplexe mit Tricyclohexylphosphan-Liganden, B1 und B2, die Vinyliden-Komplexe V1V4 und die Allenyliden-Komplexe A1 und A2 wurden auf Aktivität in der Ringschlussmetathese von Diethyldiallylmalonat untersucht. Unter Rückflussbedingungen in Benzol und mit Zusatz eines Phosphan-Abfangreagenz katalysierten die beiden Benzyliden-Komplexe B1 und B2 mit mäßiger Aktivität diese Metathesereaktion.
Zudem gab es erste Hinweise auf katalytische Aktivität des Vinyliden-Komplexes [Ru(bdmpza)Cl(=C=CHPh)(PPh3)] (V1) in der Reaktion von terminalen Alkinen mit Hydrazinen zu Nitrilen.

Vergleich der Liganden Cp, Tp und bpza

Der Bisphosphan-Komplex mit bdmpza-Liganden, [Ru(bdmpza)Cl(PPh3)2], wies eine höhere Reaktivität als die entsprechenden Cp- und Tp-Komplexe auf. Ein Phosphan-Ligand wurde dabei leicht abgespalten, wodurch kürzere Reaktionszeiten mit terminalen Alkinen dokumentiert werden konnten. Die leichtere Phosphan-Dissoziation konnte auf die Methylgruppen in Position 3 der Pyrazolringe zurückgeführt werden. Der analoge bpza-Komplex hingegen ging keine vergleichbaren Reaktionen ein.


Die Abkürzung „Tol“ steht für para-Tolyl.
Überstrichener Text zeigt einen Cyclus an. Es gibt eine Bindung zwischen dem ersten und dem letzten überstrichenen Atom.


Mehr steht in den beiden Artikeln in Organometallics (2006 und 2008) und natürlich in der Dissertation (Buch, PDF bei KOPS und PDF hier). Zu den Abstracts.